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Neues Asylverfahren: Pilot-Projekt bestätigt Systemmängel

Seit September 2020 bietet das Pilot-Projekt Pikett Asyl der Freiplatzaktion Zürich Asylsuchenden aus den Bundesasylzentren (BAZ) nach einem negativen Entscheid niederschwelligen Zugang zu einer unabhängigen Rechtsvertretung und insbesondere Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Beschwerderechte, wenn sie dies wünschen. Ein Team des Instituts für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat das Projekt evaluiert.

 

Jeder 10. Person Beschwerderecht ermöglicht

In der Pilotphase ermöglichte das Pikett Asyl 143 Personen mit einem negativen Asylentscheid eine Beschwerde. In derselben Periode wurden im Kanton Zürich 1‘483 Asylgesuche erstinstanzlich negativ beantwortet. Somit hat das Pikett Asyl jeder 10. abgewiesenen Person im Raum Zürich ermöglicht, ihre Rechte voll auszuschöpfen. Dabei ist auch von einer beträchtlichen Anzahl von Personen auszugehen, die das Angebot nicht erreichen konnte. Inhaltlich ist insbesondere als Erfolg zu werten, dass das Bundesverwaltungsgericht nahezu alle von privaten Anwält*innen erhobenen Beschwerden, die durch das Pikett Asyl vermittelt wurden, in einer ersten Prüfung als nicht aussichtslos einstufte. Gemäss der Evaluation beginnt das Pikett Asyl hier die wichtige Funktion eines «Korrektivs von aussen» einzunehmen, die darin besteht, dass alternative Einschätzungen und Lösungen zur gängigen Rechtsprechung aufgezeigt und erprobt werden.

 

Dringend notwendige Unterstützung nicht vorgesehen

In der Evaluation zeigte sich deutlich, dass Asylsuchende auch jenseits „der Beschwerdeführung in den unterschiedlichsten sozialen und rechtlichen Fragen dringend notwendige Unterstützung“ brauchen, die im neuen Asylsystem nicht vorgesehen ist. Es handelt sich hierbei um Fragen und Probleme, für welche die Betroffenen nach Niederlegung des Mandats durch die amtliche Rechtsvertretung sonst kaum mehr eine Ansprechstelle haben. Das Pikett Asyl vermochte mit seinem Angebot also auch über die Problematik des nicht vollumfänglich gewährleisteten Zugangs zum Recht hinausgehende Lücken zu füllen und auf ungelöste Problemstellungen im Kontext des Asylverfahrens und im Alltag der Betroffenen aufmerksam zu machen.

 

Zuspitzung im Falle einer Kürzung der Beschwerdefristen

Die Pilotphase war geprägt von verschiedenen unvorhergesehenen Kontextbedingungen und Entwicklungen. Für eine rasche und flexible Problemlösung wichtig erwies sich, dass das Angebot weder räumlich noch personell noch fachlich isoliert, sondern in bestehende und gut funktionierende Strukturen eingebunden ist. Dies würde umso mehr Bedeutung erlangen, sollten die Beschwerdefristen im beschleunigten Verfahren wie im Gesetz vorgesehen wieder von 30 auf 10 Tage gekürzt werden, denn bis anhin musste sich das Pilot-Projekt noch nicht unter «normalen» Bedingungen wie vor Covid-19 beweisen: „Es gibt verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass unter den Bedingungen deutlich höherer Asylgesuchzahlen bei gleichzeitig kürzeren Beschwerdefristen das Angebot an seine Grenzen gekommen wäre und in der heutigen Qualität nicht zu realisieren wäre.“ Ausserhalb der besonderen Covid-Umstände wäre die Nachfrage nach dem Angebot des Piketts Asyl und die Auslastung des Projekts wahrscheinlich also noch deutlich grösser.

 

Dringender Handlungsbedarf seitens Bundesrat und Parlament

Das Evaluationsteam rund um Prof. Dr. Eva Mey kommt zum Schluss: „Aufgrund der insgesamt sehr erfreulichen Bilanz des Pilotprojektes ist zu begrüssen, dass Pikett Asyl in Zukunft weitergeführt und auch auf nationaler Ebene implementiert werden soll.“ Auf der Grundlage dieses Fazits und der eigenen Erkenntnisse aus dem Pilot-Projekt sieht sich die Freiplatzaktion Zürich als Auftraggeberin in ihrer Ansicht bestätigt, dass seitens Bundesrat und Parlament dringend Handlungsbedarf auf Gesetzesebene besteht, um den Zugang zum Recht für alle Asylsuchenden gleichermassen zu gewährleisten. Sie wird sich mit ihren Partner*innen vom Bündnis unabhängiger Rechtsarbeit dafür einsetzen.

Interessierte können die Evaluation gerne bei der Freiplatzaktion Zürich beziehen. Diese Mitteilung als pdf herunterladen.

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