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Mängel des neuen Asylverfahrens

Position der Freiplatzaktion Zürich

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Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wird nicht müde, das neue Asylverfahren als grossen Erfolg zu preisen. Dabei ist das neue System anfällig für Fehler. Die Konsequenzen haben die Asylsuchenden zu tragen.

  1. Im neuen Asylverfahren herrscht ein enormer Zeitdruck. Es besteht daher ein erhebliches Risiko, dass die Gründe der Asylsuchenden, deren biografische Ereignisse und ihre gesundheitliche Verfassung zu ungenau erhoben werden. Das SEM spart bei der Sorgfalt der Abklärungen ein. Es priorisiert die schnelle Erledigung des Asylverfahrens und riskiert dadurch die Unvollständigkeit der dafür relevanten Fakten (Beispiel: medizinischer Sachverhalt). Die Rechtsvertretung der Asylsuchenden wird von den rigiden Terminvorgaben des SEM überfahren. Sie hat dadurch zu wenig Zeit für zusätzliche Abklärungen, für eine konstante Fallbetreuung und für eine engmaschige Kontaktpflege zu den Asylsuchenden. Bei der Mehrheit der Asylsuchenden handelt es sich um verletzliche Personen. Diese benötigen oftmals Zeit, um ihre Geschichte vollständig erzählen zu können. Zeit, die ihnen jedoch nicht zur Verfügung steht. Asylsuchende sind Menschen und keine Maschinen, die auf Knopfdruck funktionieren.
  2. Die Vertrauensbildung zur Rechtsvertretung wird mit dem neuen Asylverfahren nicht ausreichend garantiert. Die räumliche und organisatorische Nähe zwischen den Sachbearbeitenden des SEM und den Rechtsvertretenden ist problematisch. Es besteht ein ernstzunehmendes Risiko, dass die Asylsuchenden nicht klar unterscheiden können, wer zur Behörde gehört und Entscheide fällt, und wer ihre Interessen vertritt. Eine gute Vertrauensbildung zur Rechtsvertretung ist für den Rechtsschutz der Asylsuchenden jedoch elementar.
  3. Das neue Asylverfahren führt zum ständigen Verlust von Know-How. Der hohe Zeitdruck und die dezentrale geografische Lage mancher Bundesasylzentren machen die asylrechtliche Tätigkeit grundsätzlich unattraktiv. Es ist daher mittel-und langfristig mit einer hohen Fluktuation bei den Sachbearbeitenden des SEM und bei den Rechtsvertretenden zu rechnen. Dies wiederum hat erhebliche Auswirkungen auf die Qualität des Asylverfahrens und wirkt sich entsprechend nachteilig auf die Asylsuchenden aus.
  4. Die Beschwerdefrist von sieben Tagen ist viel zu kurz. Eine qualitativ gute Beschwerde innert weniger Tage zu verfassen, stellt für die Rechtsvertretung grundsätzlich eine grosse inhaltliche und zeitliche Herausforderung dar. Legt die Rechtsvertretung ihr Mandat nieder und macht keine Beschwerde, ist es für die Asylsuchenden sehr schwierig, innert der verbleibenden Tage juristische Unterstützung ausserhalb des Bundesasylzentrums zu finden. Gelingt es ihnen, so bleiben den juristischen Akteur*innen höchstens noch eine Handvoll Tage, um eine qualitativ gute Asylbeschwerde zu verfassen – eine fast unlösbare Aufgabe.
  5. Das neue Asylverfahren entspricht einem Dauer-Testbetrieb. Seit Beginn der Testphase werden in dessen Durchführung erhebliche Mängel auf verschiedenen Ebenen festgestellt. Diesem Umstand wird in der Entscheidpraxis des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts jedoch in keiner Weise Rechnung getragen. Es gelten stets die üblich strengen Kriterien. Fehler werden somit leichthin in Kaufgenommen. Dabei gilt jedoch zu bedenken: Asylentscheide haben existenzielle Konsequenzen für die Betroffenen. Jeder Fehler kann verheerende Auswirkungen auf sie haben.

Link zur Bilanz des SEM.

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